Ein lieber
Bekannter erzählte einer gemeinsamen Neubekanntschaft – etwas stichelnd – „Chiqitac ist konservativ“
Meine
Reaktion:
Lieber […],
Ich habe das
Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen…
„Konservativ“
– ich sei konservativ, sagtest Du.
Hhhm, ja,
irgendwie schon, aber das war ich sicherlich nicht immer.
Und
irgendwie auch nicht.
(wahrscheinlich
lachst Du mich innerlich schon aus, weil Du vermutlich vor allem etwas sticheln
wolltest – und ich voll darauf anspringe… - super, ich passe voll in’s Schema
;-) ).
Wenn wir uns
zu meiner Studien- und Promotionszeit begegnet wären (oder noch früher), dann
hättest Du „konservativ“ wohl eher gar nicht mit mir in Verbindung gebracht.
Ich war
sicherlich nie (NIE!) angepasst, habe immer hinterfragt, versucht, logische
Argumente zu finden, wollte alles durchdiskutieren, bin gegen verkrustete
Strukturen vorgegangen, habe mich heimlich gefreut, wenn irgendwelche „Kleinen“
im Kampf gegen die „Großen“ erfolgreich waren (die „Großen“ – in Politik,
Kirche, etc.), habe prinzipiell nicht eingesehen, dass Frauen nicht
gleichberechtigt sein sollten, war sicherlich sehr emanzipiert unterwegs, etc.
– und bin vor allem durch mein Elternhaus auch so aufgewachsen – …
Ich vermute,
Du kannst Dir ein Bild machen….
Was mich von
den „Vollblut-Emanzen“ in der Kirche unterschieden hat, war, dass meine oberste
Instanz dann doch eine rationale war. Also z.B.: ich habe im KGR dagegen
gestimmt, neue Gesangbücher anzuschaffen, nur um diese „Brüder“-Stellen
abzuschaffen (so viel Geld für so’n Quatsch…. – dann doch lieber ausschneiden
und d’rüberkleben, wenn’s schon sein muss…, etc.)
Auch
gesellschaftlich gehört(e) es ja eher zum guten Ton, zwar katholisch (ääh, eher
gut christlich) zu sein, sich aber deutlich von „der Amtskirche“ abzusetzen.
„Was, keine Kondome in Afrika?!?!!“ – etc. – sind halt leider die Themen, die
durch die Massenmedien gehen – und damit auch bei Otto-Normalkirchgänger
hängenbleiben.
Den
katholischen Standpunkt habe ich v.a. durch mein Engagement in der [katholischen
Mädchen-Jugend-Arbeit] mitbekommen, allerdings war dort (wie halt auch so
häufig) auch viel Manipulatives zu finden, was dazu führte, dass ich mich auch
da eher kritisch verhalten musste.
So, bla,
lange Einleitung (Chiqitac labert….) – auf jeden Fall lernte ich dann [meinen
Ex-Freund] kennen (und am Anfang haben wir viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiele
Grundsatzdiskussionen geführt – er mit dem konservativen, ich mit dem
„kontra“-Standpunkt), aber auch zu diesem Zeitpunkt war ich noch eher kritisch
(insbesondere dem konservativen Lager gegenüber – Mundkommunion? -> „Um
Himmels Willen“ etc. ).
Was mich
wirklich zum Nachdenken gebracht hat, war, bzw. ist letztlich meine Zeit hier
in [der Diaspora].
Noch nie
vorher ist mir klargeworden, welchen Reichtum und welche Schönheit unsere
Kirche eigentlich beherbergt, wie großartig (in der Theorie) ihre Lehre ist.
Klargeworden ist mir dies durch das Fehlen dieser Schönheit, durch die Willkür,
die hier herrscht, die Beliebigkeit, fast schon die Kirchenfeindlichkeit, oder
die Ablehnung der Lehre der Kirche. Überzeugte, erlöste, frohe Katholiken sehen
wirklich anders aus, sind viel anziehender!
…und als mir
das klargeworden war, habe ich für mich den Entschluss gefasst, dass ich von
nun an immer zunächst einmal sagen würde, dass ich
- katholisch bin,
- das auch gerne bin
- die Lehre(n) der katholischen Kirche – prinzipiell – gutheiße und
- mir nicht erlaube über irgendwelche kirchenpolitischen Themen, die in den Medien aufgebauscht werden, zu urteilen, ohne mich selbst kundig gemacht zu haben.
…und
eigentlich geht es mir damit sehr gut.
Es ist
befreiend, zuerst davon auszugehen, dass die Kirche gut ist (…das schließt
natürlich die einzelnen Glieder nicht notwendigerweise ein) – ich merke, dass
mir diese Überzeugung einfach gut tut – und ich merke, dass es manchen
Gesprächen auch gut tut, wenn sich ein (doch gebildeter und
naturwissenschaftlich interessierter) Mensch (wie ich) „outet“ und sich für die
kirchliche Lehrmeinung (etc.) einsetzt – nicht, „weil es schon immer so war“,
sondern, „weil eine Schönheit darin verborgen ist“.
Selbstverständlich
bin ich nicht blind und sehe sehr wohl, dass es an vielen Stellen eben doch
menschelt, bzw., dass es sicherlich Punkte gibt, über die (aber wirklich
ehrlich!) diskutiert werden muss, aber es zwingt mich ja keiner, diese Punkte
als erstes in meiner Aufzählung zu nennen (ich erzähle über die Menschen, die
mir wichtig sind ja auch ganz selten zuerst deren Fehler und Schwächen).
Tja, und so
kommt es, dass ich nun wohl wirklich konservativ bin, bzw. so „aussehe“.
Vor allem
aber bemühe ich mich ehrlich zu sein – und das ist etwas, was mir viel zu
häufig fehlt – auf beiden Seiten (konservativ – liberal) im katholischen
Spektrum (nicht nur da, auch in der Politik etc.).
…und
letztlich bin ich überzeugt, dass ein echter Dialog (also nicht dieses Unwort,
das da in letzter Zeit immer bemüht wird) dann gelingen würde, wenn alle
Beteiligten alle persönlichen und öffentlichen Interessen/ Eitelkeiten/ …
hinter sich lassen würden und sich ganz ehrlich nur nach dem Willen und Wirken
Gottes ausrichten würden.
Warum dieser
Brief? Vermutlich, weil ich es immer schlimm finde, in einer Schublade zu sein…
- und vermutlich auch, weil ich „konservativ“ auch schon viel zu häufig im
Zusammenhang mit „engstirnig“ benutzt habe ;-) – und sicherlich, weil es mir
leider viel zu wichtig ist, wie ich nach außen wirke… ;-(
– aber:
selbstverständlich darfst Du dennoch weiterhin sticheln ;-) – ernsthaft! – das
ist ja auch dringend nötig!
Mein Wort
zum Sonntag.
Sei herzlich
gegrüßt,
Chiqitac
…und die
(sehr wertschätzende) Antwort: ich solle endlich aufhören, mich zu
rechtfertigen… - und die Frage, was denn schlimm daran sei, konservativ zu sein…
;-)
Konservativ heißt einfach nur bewahrend. Solange man das Gute bewahrt...:}
AntwortenLöschen;-) Ich weiß schon, nichtsdestotrotz war das früher eher ein "schlimmes" Wort für mich. Zwischenzeitlich sage ich auch von mir selbst, dass ich konservativ bin - aber aus dem Mund mancher Menschen fällt es mir schwer, das einfach stehen zu lassen. (...personal vanity... - oder so)
LöschenMir sagte mal ein Bekannter - im Laufe einer Diskussion, die sich skurrilerweise um die Forderung drehte, Schülern während der Fußball-WM weniger oder gar keine Hausaufgaben aufzugeben - in durchaus wohlwollendem Ton: "Vielleicht siehst du das nur deshalb so, weil du wert- und strukturkonservativ bist".
AntwortenLöschenIch dachte kurz darüber nach und stellte fest: Stimmt, das bin ich. Irgendwie.
Seither sage ich das auch selbst über mich, wenn auch oft mit einem gewissen Augenzwinkern. Klingt für mein Empfinden besser als einfach "nur" "konservativ"...
Für mich bedeutet konservativ: dass Veränderungen sinnvoll sind, wenn sie vernünftig sind. Das Konservative stellt "das Neue" in die Beweispflicht. Das finde ich gut. "Never change a running system". Keinem nutzt es, in einem Modernisierunsgwahn alles kaputt zu machen, was sinnvoll gewachsen ist.
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